In der kunstverliebten Stadt München
hatte Bernard Boissel einen der bemerkenswertesten Auftritte
eines zeitgenössischen Künstlers behauptet:
im Deutschen Museum in München wurden 1997
seine bis dahin entstandenen Werke allesamt in einer riesigen Halle gezeigt - präsentiert vom damaligen Direktor des Museumsdienstes
des Senats für Kultur in Berlin, Jochen Boberg.
In dieser Phase der Entwicklung waren Boissels unvermischte Farben
auf die Mitte des Bildes gerichtet. Endlich hatte München einen Maler,
der mit seinem Axiom "Der Strich ist Raum und Zeit"
seine implosionsartigen Farbaufträge in die Vergleichsebene
von Malewitsch und Fontana brachte,
was die Programmatik der Überschreitung von Farbkörpergrenzen betrifft.
Kundige Münchner Kunsthistoriker wie Andreas Kühne
sehen in Boissels abstrakter Malerei ebenfalls Verbindungslinien
zu Jean Fautrier, André Masson und Henri Michaux.
In seiner weiteren künstlerischen Entwicklung verfolgte Boissel das Prinzip
des Einatmens und Ausatmens
als einem geradezu choreographischen Vorgang auf der Leinwand.
Sein dem Informel nahestehener Malduktus,
vom Künstler ständig auch kunstphilosophisch begleitet,
geriet zu einem europäischen Ausdruck
des amerikanischen abstrakten Expressionismus.
Das einst dicht massierte Farbfeld wurde von Boissel auf die Komposition
von Strichen, Flecken, Spritzern und Pinselspuren reduziert und erlangte
eine neue Bildbedeutung
der Zwiesprache des Künstlers mit dem werdenden Bild,
wie die Kunsthistorikerin Hanne Weskott dies erhellend erläutert.
Boissels interdisziplinäre Experimente, wie seine "visuelle Klangkompositionen", dem Vordringen zu synästhetischen Erfahrungen also,
gipfelte in seinem Konzept für die Lichtkomposition
im Isargebäude des Deutschen Museums.
Er führte sie fort mit in-situ-Installationen seiner Malerei
in gesamthaften Rauminszenierungen, etwa in den weitläufigen Räumen
einer Klinik in der Alten Börse am Münchner Lenbachplatz.
Dass einer der bedeutendsten Kunstkritiker und Kuratoren der Gegenwartskunst,
Manfred Schneckenburger - gleichermaßen Experte für Malerei und für Raumkunst -
das Schaffen von Bernard Boissel jüngst in einer Veröffentlichung gewürdigt hat
(Verlag Damm und Lindlar, zweibändig, erscheint 2017), ist insofern nur folgerichtig.

Elmar Zorn, Sprecher des internationalen Arbeitskreises von Kuratoren
"Curatorial Partners"


© Foto Ulrike Damm 2016